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Gästebuch


  Mein Name ist Gerhard Walter. Geboren bin ich am 15. Oktober 1929 in Stuttgart.

Sechs Jahre zuvor waren meine Eltern aus Russland nach Stuttgart gekommen. Mein Vater stammte aus der Ukraine, geboren in einem kleinen Dorf mit dem Namen Waldorf nahe der Krim und mußte während des Bürgerkrieges als Folge der Revolution aus Russland fliehen. Die dreijährige abenteuerliche Flucht gelang, er kam gesund und glücklich in Deutschland an.

Meine Mutter stammte eigentlich aus Ostpreußen. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges fielen die Russen in Ostpreußen ein und die Familie meiner Mutter den Russen in die Hände. Mein Großvater wurde verhaftet, die Großmutter mit sieben Kindern aus dem Haus getrieben, in einen Viehwagen verfrachtet und in den Ural gebracht. Und das unter dem Zarenregime. Das Martyrium dieser Odyssee dauerte acht lange Jahre, bis die Familie - der Großvater hatte wieder zur Familie gefunden - durch das Rote Kreuz nach Deutschland gebracht werden konnte.

Bei einer Veranstaltung des damaligen „VDR“ (Verein der Russlanddeutschen) lernten sich meine Eltern kennen, heirateten im Jahre 1926 und das Ergebnis dieser Vereinigung bin ich.

Mein Lebenslauf ist schnell erzählt. Ich wurde sehr früh zur Selbständigkeit erzogen, meine Eltern hatten trotz hoher Arbeitslosigkeit immer Arbeit, ich war ein so genanntes „Schlüsselkind“, wie man heute sagt, eine alte Oma aus der Nachbarschaft kümmerte sich um mich.

Ich wurde liberal erzogen, wurde nie geschlagen, was zu damaliger Zeit nicht selbstverständlich war. Die Hand und der Rohrstock saßen damals sehr locker und machten die Erziehung oft zur Qual.

In der Schule war ich nicht schlecht und schaffte mit zehn Jahren den Sprung in die Oberschule, wie damals das Gymnasium genannt wurde. Meine Eltern hatten nur eine geringe Schulbildung, in den deutschen Dörfern in Russland lernte man in der Schule Lesen im Katechismus, etwas Rechnen und Schreiben, das wars. Und der Schulbesuch war auch nur im Winter. So waren meine Eltern für mich keine Hilfe, ich mußte mir alles selbst erarbeiten. Zusätzlich mußte ich auch richtig arbeiten, denn meine Eltern eröffneten 1936 eine Gastwirtschaft und hatten erst recht keine Zeit für mich. Im Gegenteil, ich mußte sie als kleiner Junge im Geschäft unterstützen.

Der Krieg zerstörte alles, das Haus mit dem Geschäft, die Schule wurde unterbrochen. Das große Glück war, mein Vater kam bald nach Kriegsende aus der Gefangenschaft nach Hause und es konnte wieder ein Geschäft aufgebaut werden.

Ich setzte die Schule bis zum Abitur fort, schaffte es auch mit einer Traumnote in Mathematik, einer glatten Fünf. Ein Bruder meines Vaters war Tierarzt, das wollte ich auch werden, jedoch hätte ich mindestens drei Jahre warten müssen bis zum Beginn des Studiums.. So besuchte ich ein Jahr lang eine Hotelfachschule in München, schon um mit einer soliden Ausbildung das Studium finanzieren zu können. Es wurde nichts daraus. Wir hatten ein Hotel in Stuttgart, meine Mutter wurde schwer krank und nach dreimaliger Saisonanstellung in guten Hotels mußte ich endgültig in den elterlichen Betrieb zurück. Mein Vater starb 1969, schon 1970 lernte ich meine jetzige Frau kennen, ich hätte keine bessere finden können. 1972 heirateten wir, Kinder bekamen wir leider keine, wir führen auch so ein glückliches Eheleben.

1994 ging ich in Rente. Damit es mir als Rentner nicht langweilig wird, suchte ich nach einer Aufgabe und fand diese in der Familie.

War ich bis 1975 in Deutschland der einzige der Familie Walter, so änderte sich jetzt die Situation‚ es kamen immer mehr Familienmitglieder aus Russland als Aussiedler, die alle sehr gut integriert sind und auf die ich stolz bin. Für sie wollte ich eine Familiengeschichte mit Stammbaum erstellen. Durch einige glückliche Umstände erhielt ich so viel Material für mein Vorhaben, dass daraus statt einer Arbeit von vielleicht 40 Seiten ein stattliches Buch mit fast 400 Seiten geworden ist und das ich mit dieser Webseite vorstelle. Ich bin auch stolz darauf, dass ich es schaffte, mit 70 Jahren mir ein Computerwissen selbst beizubringen, das mich befähigte, dieses Buch ohne jede fremde Hilfe druckfertig herzustellen.

Zusammen mit einigen Gleichgesinnten gründeten wir in Nürnberg unter der Federführung von Anton Bosch, einem bekannten Erforscher der Geschichte der Russlanddeutschen, den „Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V.“

( www.HFDR.de )


Gerhard Walter

 

 

 © 2006 Gerhard Walter